Ein Altbau ist ein Kind seiner Zeit. Entsprechend ist es möglich, die typischen Bauarten jener Zeit zu sammeln und demzufolge eine Liste von üblichen Konstruktionen zu erstellen. In der Fachliteratur werden deshalb Gebäude in sogenannte Baualtersklassen eingeteilt. Sie bieten sie viel Potenzial, um spätere Sanierungsbedarfe abzuschätzen oder mögliche Hemmnisse für die Umsetzung einiger Wünsche zu erkennen. Und die Bewertung durch eine schlechte energetische Performance zu ergänzen.
Dazu werden beispielsweise die Bauzeit als auch der Bautypus unterschieden. Denn natürlich wurde bei einem Einfamilienhaus (EFH) anders gebaut, als bei einem Mehrfamilienhaus (MFH) oder sogar einem großen Mehrfamilien- (GMH) oder Hochhaus (HH).
Spannend ist dabei: bis in die 1940er Jahre hinein sind die Bauqualität, Baukonstruktionen und die verwendeten Materialien weitgehend eindeutig. Ab den 50er beginnt sich dies langsam aufzufächern. Zunächst vorrangig bei den Konstruktionen zur Umsetzung entsteht in der Folge eine Vielzahl an unterschiedlichen Konstruktionen und Qualitäten, die dementsprechend vorab kaum mehr eine eindeutige Zuordnung zulassen. Hier bedarf es daher für Kauf oder Sanierungsplanung einen besonders detaillierten Blick ins Detail.
Baukonstruktionen nach Baualtersklassen
Gebäude einer spezifischen Baualtersklasse haben klassische Charakteristika. So lässt sich schon im Vorfeld erahnen, wie die Gebäude aussehen und welche Möglichkeiten und Bedarfe bei der Sanierung entstehen können. Dazu lassen sich auch schon typische Mängel und damit Ansatzpunkte für eine Sanierung erahnen.
Über die Bauweise der Wände lasst sich dabei zunächst etwas über die energetische Qualität erfahren. Der U-Wert, ein Kennwert für den Wärmedurchgang durch die Wand, ist dabei maßgeblich. Je höher er ist, desto größer ist der zu erwartende Wärmeverlust durch die Wände des Hauses. Es ist dann also energetisch schlecht und sollte saniert werden.
Baualtersklassen | Bauart Ein- und mehrschalige Außenwände |
Typisches Vorkommen | Pauschal-U-Wert in W/(m²·K) | |||
EFH | MFH | GMH/HH | ||||
Bis 1918 | Mauerwerk | Ziegel- oder Bruchsteinmauerwerk ca. 40 cm | ■ | ■ | 2,2* | |
Fachwerk | Holzfachwerk; mit Lehmausfachung | ■ | ■ | 2,0* | ||
1880-1948 | Mauerwerk | Ziegelmauerwerk; 25-38 cm | ■ | ■ | ■ | 1,7* |
Mauerwerk verbessert | Ziegelmauerwerk; 38-51 cm oder zweischalig | ■ | ■ | 1,4* | ||
1949-1968 | Leichtes Mauerwerk | Hohlblocksteine, Gitterziegel, Porenbeton | ■ | ■ | 1,4* | |
Bimsvollsteine | ■ | ■ | 0,9 | |||
1969-1978 | Leichtes Mauerwerk | Porenziegel; mit Normalmörtel | ■ | ■ | 1,0 | |
Betonfertigteile | Dreischicht- oder Leichtbetonplatten | ■ | ■ | 1,1 | ||
Fertighaus Holzbauweise | Holzständerwand mit 6 cm Dämmung | ■ | 0,6 | |||
1979-1983
1. WSchV |
Leichtes Mauerwerk | Leicht-Hochlochziegel mit isol. Mörtel | ■ | ■ | 0,6 | |
Porenbeton | ■ | ■ | 0,6 | |||
Betonfertigteile | Dreischicht- oder Leichtbetonplatten | ■ | ■ | 0,6 | ||
Fertighaus Holzbauweise | Holzständerwand mit 8 cm Dämmung | ■ | 0,6 | |||
1984-1994
2. WSchV |
Standard | Leicht-Hochlochziegel mit isol. Mörtel | ■ | ■ | 0,6 | |
Porenbeton | ■ | 0,5 |
* Im Fall nachträglich angebrachter Dämmplatten mit mindestens 2 cm Stärke oder bei min. 4 cm dick aufgebrachtem Dämmputz kann dazu ein Pauschal U-Wert von 1,0 W/(m²·K) angenommen werden.
Pauschalwerte für Wärmedurchgangskoeffizienten von Wänden nach Baualtersklassen; Quelle: nach (IWU, 2007)
Gerade Massivbauten sind dabei energetisch in der Regel schlecht. Die massive Konstruktion stellt im Wohnhausbestand jedoch bis in die 90er Jahre hinein die Standard-Konstruktionsweise dar. Erst ab etwa 1970 treten vereinzelt Leichtbaukonstruktionen bei Wänden auf (Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena), 2004).
Deshalb ist in der Regel für die energetische Qualität nur zu prüfen, ob eine Innen- oder Außendämmung installiert wurde. Und dazu, wann diese erfolgte. Da der Zeitraum der Installation dabei nicht mehr als ca. 50 Jahre zurückreichen sollte, könnten dazu auch noch Unterlagen seitens des Verkäufers vorliegen.
Letztlich werden für unterschiedliche Bauteile durch Energiestandards von Sanierungen auch spezifische U-Werte vorgeschrieben, so kann man auch schon die eigenen Ziele für die Sanierung eingrenzen.
Deckenkonstruktion der Baualtersklassen
Wie bei den Wänden sind dabei auch Decken und Dächer typisch ausgeführt.
Baualtersklassen | Bauart Oberste Geschossdecken bzw. Kehlbalkendecken gegen unbeheizten Dachraum und Flachdächer |
Typisches Vorkommen | Pauschal-U-Wert in W/(m²·K) | |||
EFH | MFH | GMH/HH | ||||
Bis 1948 | Standard | Betondecke, Rippendecke, Stahlsteindecke | ■ | ■ | ■ | 2,1* |
Holzbalkendecke | ■ | ■ | 0,8 | |||
1969-1978 | Oberste Geschossdecke | Betondecke mit 5 cm oberseits | ■ | ■ | ■ | 0,6 |
Flachdach | Betondecke mit 6 cm oberseits | ■ | ■ | ■ | 0,5 | |
Fertighaus Holzbauweise | Holzbalkendecke mit 4 cm Dämmung | ■ | 0,8 | |||
1979-1983
1. WSchV |
Oberste Geschossdecke | Betondecke mit 8 cm oberseits | ■ | ■ | 0,5 | |
Flachdach | Betondecke; 8 cm Dämmung und Dachhaut | ■ | ■ | 0,5 | ||
Fertighaus Holzbauweise | Holzbalkendecke mit 8 cm Dämmung | ■ | 0,5 | |||
1984-1994
2. WSchV |
Oberste Geschossdecke | Betondecke mit 12 cm Dämmung oberseits | ■ | ■ | ■ | 0,3 |
Fertighaus Holzbauweise | Holzbalkendecke mit 12 cm Dämmung | ■ | 0,3 | |||
Baualtersklassen | Bauart Dachschrägen beheizter Dachgeschosse |
Typisches Vorkommen | Pauschal-U-Wert in W/(m²·K) | |||
1880-1948 | Standard | Putz auf Schilfmatte oder Spalierlatten | ■ | ■ | 2,6* | |
Lehmschlag | Strohlehmwickel, zw. den Sparren | ■ | ■ | 1,3* | ||
1948-1978 | Standard | Holzfaserplatten 3,5 cm verputzt | ■ | ■ | 1,4* | |
Bimsvollsteine | Sonderfall: Zwischensparrendämmung nicht möglich | ■ | ■ | 1,4* | ||
Geringe Dämmung | 5 cm Dämmung zwischen den Sparren | ■ | ■ | ■ | 0,8 | |
1979-1983 1. WSchV |
Standard | 8 cm Dämmung zwischen den Sparren | ■ | ■ | 0,5 | |
1984-1994 2. WSchV |
Standard | 12 cm Dämmung zwischen den Sparren | ■ | ■ | 0,4 |
* Im Fall nachträglich angebrachter Dämmung mit min. 2 cm Stärke kann ein Pauschal U-Wert von 1,0 W/(m²·K) angenommen werden.
Pauschalwerte für den Wärmedurchgangskoeffizienten von oberen Geschossdecken, Flachdächern und Dachschrägen nach Baualtersklassen Quelle: nach (IWU, 2007)
Dachkonstruktion der Baualtersklassen
Flachdächer verfügen in der Regel über Betonflachdecken. Bei Steildächern stehen bei einer Errichtung aus Holz die Konstruktionsformen Pfettendach, Sparren- und Kehlbalkendach zur Verfügung. Dabei ist seit dem 19. Jahrhundert das Pfettendach die vorherrschende Konstruktionsweise für Steildächer für alle Baualtersklassen (Prehl, 2001). Seit 1940 gab es eine Renaissance des Sparren- und seiner Abwandlung des Kehlbalkendachs. Besonders kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in Deutschland viele Einfamilienhäuser mit Kehlbalkendach ausgeführt. Das insbesondere bei kleinen Gebäudetiefen von 7 – 8 m und einer Dachneigung von über 30° verwendete System führte dabei zu der klassischen 50er Jahre Architektur im Wohnungsbau.
Ausstattung nach Baualtersklassen
Ebenso lassen sich auch typische Baukonstruktionen ermitteln. Hierbei ist einerseits wertvoll, die entsprechenden Konstruktionen schon vorab zu kennen. Es ist aber auch sinnvoll, um eigene Vorstellungen im Sinne einer zeitgemäßen Umsetzung zu überprüfen. Die Frage, passt meine Vorstellung zu diesem Haus kann damit deutlich leichter beantwortet werden.
Baualtersklassen | Bis 1918 | 20er bis 40er Jahre | 50er bis 60er Jahre | 70er bis 80er Jahre | Ab 1990 | ||
Gebäudeteil | |||||||
Außenwände | |||||||
Keller | Ziegel Massiv | ■ | ■ | ||||
Stampfbeton | □ | ■ | |||||
Stahlbeton | □ | ■ | ■ | ||||
Hochlochmauerwerk, porosierte Baustoffe | □ | ■ | ■ | ||||
Geschosse | Mauerwerk massiv | ■ | ■ | ■ | |||
Hochlochmauerwerk, porosierte Baustoffe | □ | ■ | ■ | ||||
Mauerwerk zweischalig | □ | ■ | ■ | ||||
Fachwerk | ■ | □ | |||||
Innenwände | |||||||
Fachwerk | ■ | □ | |||||
Mauerwerk | ■ | ■ | ■ | ■ | ■ | ||
Trennwände | Holzfachwerk | ■ | □ | ||||
Mauerwerk | ■ | ■ | ■ | ■ | ■ | ||
Wandbauplatten (meist Gips), Ständerbauart | □ | □ | ■ | ■ | |||
Außenbekleidungen | |||||||
Stuckfassaden | ■ | □ | |||||
Glatte Putzfassaden | ■ | ■ | ■ | □ | |||
Sichtmauerwerk | □ | ■ | ■ | □ | |||
hinterlüftete Fassaden, Vorsatzmauerwerk mit/ohne Dämmung | □ | ■ | ■ | ||||
Wärmedämmverbundsysteme | □ | ■ | |||||
Fenster | |||||||
Holzfenster, Einscheibenverglasung | ■ | □ | □ | ||||
Kastenfenster, Holz | ■ | ■ | |||||
Verbundfenster, Holz | □ | ■ | □ | ||||
Holz, Kunststoff, Metall 2-Scheibenverglasung | ■ | ■ | |||||
Holz, Spezielle Isolierverglasung | ■ | ||||||
Dach | |||||||
Flachdach | □ | ■ | ■ | ||||
Steildach | ■ | ■ | ■ | ■ | ■ | ||
Dachdeckung | Schuppendeckung: (Z)iegel, (B)eton; Schindel | ■ (Z), □ | ■ (Z/B); □ | ■ (Z/B); □ | ■ (Z/B); □ | ■ (Z/B); □ | |
Tafeldeckung | □ | □ | □ | □ | □ | ||
Bahnendeckung: Teer- und Bitumenbahn | □ | ■ | ■ | □ | □ | ||
Dachdeckung | Kunststoffbahn | □ | □ | ||||
Gründach | □ | □ | |||||
Decken | |||||||
Holzbalkendecke | ■ | ■ | □ | □ | □ | ||
Stahlsteindecke | □ | ■ | ■ | □ | □ | ||
Stahlbetondecke | □ | ■ | ■ | ■ | ■ | ||
Fußböden | |||||||
Holzdielen auf Deckenbalken | ■ | ■ | □ | ||||
Holzdielen auf Massivdecke | □ | □ | □ | ||||
Verbundestrich | ■ | ■ | □ | ||||
Fußböden | |||||||
Schwimmender Estrich | □ | ■ | ■ | ||||
Teppichbelag, Kunststoffbelag | □ | ■ | ■ | ||||
Linoleum | ■ | □ | □ | ||||
Treppen | |||||||
Holztreppen | ■ | ■ | □ | ||||
Stahlsteintreppen | □ | □ | |||||
Stahlbetontreppen | □ | □ | ■ | ■ | ■ | ||
Kellertreppe aus Holz | □ | □ | |||||
Kellertreppe aus Beton | □ | ■ | ■ | ■ | |||
Kellertreppe gemauert | □ | □ | |||||
Legende:
■ typische Verwendung; □ teilweise Verwendung
Typische Bauteilverwendung nach Baualtersklassen; Quelle: nach (Kompetenzzentrum kostengünstig qualitätsbewusst Bauen, 2006) in Anlehnung an (Meisel & Braunmüller, 1995)
Technik nach Baualtersklassen
Und natürlich hat jede Baualtersklasse ihre typischen technischen Lösungen, die sich teilweise noch heute im Bestand finden lassen.
Baualtersklassen | Bis 1918 | 20er bis 40er Jahre | 50er bis 60er Jahre | 70er bis 80er Jahre | Ab 1990 | |
Gebäudeteil | ||||||
Sanitär | ||||||
WC auf Treppenpodest | ■ | |||||
WC in Wohnung | □ | ■ | ■ | ■ | ■ | |
Sanitär | ||||||
Waschtisch in der Wohnung | ■ | ■ | ■ | ■ | ■ | |
Badewanne in der Wohnung | □ | ■ | ■ | ■ | ||
Kaltwasseranschluss | ■ | ■ | ||||
Kohleboiler für Warmwasser | □ | ■ | ||||
Gasdurchlauferhitzer | □ | □ | ■ | □ | ||
Elektrodurchlauferhitzer | ■ | □ | ||||
Thermische Solaranlage | □ | □ | ||||
Regenwassernutzung | □ | |||||
Zentrale Warmwasserbereitung | ■ | ■ | ||||
Spülsysteme ohne oder mit geringem Wasserbedarf | □ | |||||
Heizung | ||||||
Einzelofenheizung | ■ | ■ | ■ | |||
Kohle-Zentralheizung | □ | □ | □ | |||
Öl-Zentralheizung | □ | ■ | ■ | |||
Gas-Einzelöfen | □ | □ | ||||
Gas-Zentralheizung | □ | ■ | ■ | |||
Gas-Etagenheizung | □ | |||||
Fernwärmeheizung | □ | □ | ||||
Brennwertkessel, Wärmepumpe, regenerative Energien | □ | □ | ||||
Regelungstechnik (z.B. Thermostatventile) | ■ | ■ | ||||
Elektrotechnik | ||||||
Geringe Leitungsquerschnitte | ■ | ■ | ■ | |||
Leitungen auf Putz | ■ | ■ | ||||
Leitungen unter Putz | □ | ■ | ■ | ■ | ||
Auf-Putz-Dosen/Schalter | ■ | ■ | ||||
Unter-Putz-Dosen/Schalter | □ | ■ | ■ | ■ | ||
Drehsicherungen zentral | ■ | ■ | ■ | □ | ||
Drehsicherungen Wohnungsverteilung | ■ | ■ | ■ | □ | ||
Sicherungsautomation | ■ | ■ | ||||
Wohnungs-Unterverteilung | □ | ■ | ||||
Photovoltaik | □ | |||||
Lüftung | ||||||
Freie Lüftung (Fensterlüftung) | ■ | ■ | ■ | ■ | ■ | |
Maschinelle Lüftung | □ | □ | □ | |||
Luftdichtheit der Gebäudehülle | □ |
Legende:
■ typische Verwendung; □ teilweise Verwendung
Typische Technik nach Baualtersklassen; Quelle: nach (Kompetenzzentrum kostengünstig qualitätsbewusst Bauen, 2006) in Anlehnung an (Meisel & Braunmüller, 1995)
Interessant, dass Gas-Etagenheizungen zwischen 1970 und 1980 am meisten verbaut wurden. Wir leben auch in einem solchen Haus in Salzburg und überlegen, es zu kaufen. Man muss viel bedenken und auch die Kosten der Wartung im Blick haben.
Mein Mann hat mich gebeten über das Thema Qualitäten der Baualtersklassen etwas mehr Informationen zu sammeln. Ich habe nun diesen Blogbeitrag gefunden und finde ihn super! Ich finde es immer klasse mich über neue Dinge zu informieren und mich weiterzubilden.
Sehr interessante Daten die Ihr hier im Blog aufgelistet habt.
Ich liebe die Architekturgeschichte. Wann welches Material benutzt wurde oder welche Bauart, ist alles sehr spannend.
Danke für diesen Beitrag.
Hallo und Danke für den informativen Artikel! Toller Blog.
Vielen Dank für den Beitrag zu den Qualitäten der Baualtersklassen. Mein Bruder möchte ein Fertigteilhaus bauen, wenn er keinen passenden Altbau findet. Gut zu wissen, dass sich die Bauarten immer wieder im Laufe der Zeit verändert haben.
Woher stammt die Grafik mit den Wohngebäuden nach Baualter?
Quelle: Zeumer, Martin: Solaraktives Fassadensystem zur Altbausanierung, S. 37, Darmstadt 2015;
nach Daten von: Statistisches Bundesamt, Mikrozensuserhebung, 2006
abgerufen von: https://www.altbau-neu-gedacht.de/2018/09/25/klasse-baualter-qualitaeten-der-baualtersklassen