Mit einer Sanierung geht die Veränderung von großen Baumassen einher. Manches wird zurückgebaut, Vieles neu erstellt. Dabei kann man natürlich die Bauprodukte verwenden, die individuell zugänglich sind. Oder die man schnell im Baumarkt besorgen kann. Viele interessante Bauprodukte gibt es aber in den heutigen Baumärkten für den Laien gar nicht erst zu kaufen. Entsprechend beschränkt ist man bei der Umsetzung. Detaillierter lässt sich die Bauproduktwahl gestalten, wenn man sich durch Fachquellen bei der Produktwahl unterstützen, mit Experten spricht und bei der Auswahl besondere Sorgfalt walten lässt.
Sorgfaltspflicht der Hersteller
Erstaunlicherweise gibt es eine echte Sorgfaltspflicht für die eingesetzten Bauprodukte für den Bauherren kaum. Man könnte glauben, dass diese ja sowieso im natürlichen Urinteresse liegt und daher nicht gestärkt werden müsste. In der Praxis gehen aber viele Chancen einer Sanierung genau durch dieses fehlende Produktinteresse verloren. Denn oft nehmen Handwerker stillschweigend eine – meist rein wirtschaftlich optimierten – Bauproduktwahl an. Alternativen werden dann gar nicht angeboten und kommen so nicht auf „den Tisch“ des Bauherrn. Innenputze & Wandfarben sind solche Beispiele, in dem z.B. selten Alternativen zu Gipsputzen oder Acrylatfarben diskutiert werden.
Natürlich dürfen heute keine Produkte eingesetzt werden, die nicht der Bauproduktenverordnung entsprechen. Dabei werden für Bauprodukte sogar sieben Grundanforderungen – sehr wichtige – definiert:
- Mechanische Festigkeit und Standsicherheit
- Brandschutz
- Hygiene, Gesundheit und Umwelt
- Nutzungssicherheit
- Lärmschutz
- Energieeinsparung und Wärmeschutz
- Nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen
Oft stellen sie aber nur „weiche“ Kriterien dar, die durch die Hersteller sehr unterschiedlich beantwortet werden können. Und für den Laien dann kaum mehr vergleichbar sind.
Planungspraxis
In der Bauherrn-Realität wird gerade aufgrund der Unübersichtlichkeit des Marktes oft die Produktwahl weitgehend an Planer abgeben. Damit der Bauherr trotzdem auch hier ein bisschen mitgestalten kann, gibt es dann meist einen Termin zur Bemusterung. Aber eine breite Darstellung der materialtechnischen Optionen kann hier schon allein aus Zeitgründen gar nicht erst erfolgen. Schon gar nicht, wenn man gegebenenfalls mit etwas Altem arbeiten möchte. Wir halten für uns deshalb diese „einfache“ Sorgfalt des Bauherrn bei der Bauproduktwahl für nicht ausreichend. Insbesondere bei den großen zu vergebenden Paketen (Fassade, Dach, Fenster) möchten wir genauer wissen, wo die entsprechenden Firmen ansässig sind, wie sie arbeiten, welche Produkte sie für Zwischenschritte verwenden, wie Wartung und Instandhaltung funktioniert oder wie sie mit ihrem Abfall umgehen. Neben der besseren Abstimmung der vielen technischen und baukonstruktiven Anforderungen (die zunehmend komplexer werden), hat ein entsprechender Austausch mit den Firmen auch viele Vorteile in den „weichen“ Faktoren. Sie wirken in der Materialwahl, im Bauprozess oder auch in der Nutzungsphase und können sehr vielfältig sein.
„Sneak-Preview“ beim Fensterbauer
Was einen aber wirklich erwartet, weiß man natürlich erst, wenn man sich zu einem Anbieter auf den Weg gemacht hat. Wir waren zum Beispiel für die Bauproduktwahl unterwegs, um uns eine mögliche Firma für unsere neuen Fenster anzuschauen. Der Aufwand dazu: 3 Stunden Fahrzeit und eine 2-stündige Bemusterung und Werksbesichtigung.
Für uns sind dabei folgende Aspekte echte Mehrwerte:
Verständigung in der Planung
- Die beauftragte Firma versteht die Entscheidungsgrundlagen der Bauherren besser. Man kann nur so auch erwarten, dass noch unbesprochene, aber vielleicht sinnvolle Maßnahmen trotzdem seitens der Firma eingebracht werden, wenn sie in besonderem Maße den Zielen der Bauherren entsprechen. Wir haben z.B. von Beginn an einen robusten, pragmatischen Ansatz für die Bauproduktwahl in den Fokus gestellt.
Der Fensterbauer hat für unserer Ziel „robust & pragmatisch“ sofort mit dem Vorschlag der Erhöhung der Holzresistenz des stark bewitterten Wetterschenkels geantwortet (durch den Wechsel auf die besonders resistente Holzart Eiche). Die geringen Mehrkosten von ca. 130 Euro für die Gesamtmaßnahme, werden sich sicher bezahlt machen. - Darüber hinaus erfolgt auch die Einbindung in den Kontext der Aufgabe besser. Nur so lässt sich auch durch die ausführende Firma erkennen, dass ggf. noch weitere Bedarfe bestehen, die der Bauherr noch gar nicht benannt hat.
Für die Fenster war z.B. unser Ziel, eine natürliche Lüftung mit Nachtauskühlung zu ermöglichen. Der von uns besuchte Fensterbauer hat hier aber ebenso eine klare Position. Seine Fenster dienen dem Wärmeschutz und sollen dicht sein. Das ist mit unseren Zielen vereinbar, braucht dann aber ein zusätzliches technisches Element in der Außenwand. Bisher sind wir davon ausgegangen, dass wir es nicht brauchen werden. Nun müssen wir ggf. umdenken. - Zur Dienstleistung Fenstertausch gehört auch der Rückbau der Fenster. Entsprechend umfangreich – und alt – sind die Restmassen, die hier üblicherweise zur Beseitigung anstehen. Da wir aber ggf. noch Innenfenster zwischen zwei Warmräumen einsetzen wollen, und auch noch ein Gewächshaus im alten Stil bauen wollen, könnte hier ggf. noch „Müll“ vorhanden sein, den wir nutzen können.
Produktqualität
- Man lernt das Produktportfolio der Firma genauer kennen. Die Entscheidungstiefe zur Bauproduktwahl erhöht sich und die Prägnanz für die eigene Immobilie steigt.
Wir haben z.B. mit dem Fensterbauer noch einmal über die Beschläge, Fensteroliven & Bänder, über Eckausbildungen der Holzprofile und Anschlussdetails diskutiert. Auch die Farben der Glasrandleisten, Silikone und Dichtungen waren noch einmal Thema. So sind einige Punkt aufgetaucht, über die wir zuvor in der Bauproduktwahl noch gar nicht nachgedacht hatten. - Man erkennt genauer die Grenzen des Machbaren durch die ausführende Firma und kann dann Wünsche und Optionen selbst einschätzen.
In unserem Fall haben wir z.B. über den Türgriff der Haustür diskutiert. Mit aus unserer Sicht unbefriedigendem Ergebnis. Aber wir haben festgestellt, dass wir selbst, soweit wir einen entsprechenden Griff besorgen, diesen durch die Firma fachgerecht montiert lassen können. In der Folge sprossen unsererseits nur so die Ideen. Vom klassischen Löwenkopf des Historismus, bei dem wir ein echtes Original verwenden könnten, bis hin zu einer Vielzahl an Kunstgussplaketten aus Bronze oder Eisen, die unseren Hang zur Kunst verdeutlichen würden.
Optimierte Nutzungsphase
- Die Nachvollziehbarkeit der Produktionsprozesse erhöht das Verständnis des Bauherrn für das Produkt. Später ggf. auftretende Probleme kann der Bauherr dann besser einschätzen. Denn nicht für jede Schraube muss gleich ein Techniker kommen. Andererseits können viele Probleme noch mit angemessenem Aufwand behoben werden, bevor ein großer Schaden entsteht. Aber eben nur, wenn der Bauherr sie rechtzeitig erkennt.
- Es kann immer etwas schiefgehen. Bei späteren Problemen oder für einen Gewährleistungsanspruch ist es Gold wert, schon jetzt den entsprechenden Ansprechpartner persönlich kennen zu lernen. Denn auch bei späteren Erweiterungen im gleichen Stil ist man nicht mehr nur eine Nummer, sondern schon vor Ort bekannt.
Wir verstehen das als Plädoyer dafür, die großen und gestaltprägenden Materialentscheidungen bewusst und gerne zu treffen. Nicht nur aus gestalterischer, sondern auch aus technischer Sicht. Je besser das Verständnis für das Produkt, das Material und die Funktionsweise ist, umso besser können wir fachgerecht damit umgehen und hoffentlich ein Leben lang Freude daran haben.
Die Fahrt hat sich aus unserer Sicht daher mehr als nur gelohnt. Wir fühlen uns für die anstehende Bauproduktwahl und entsprechende Vergabe-Entscheidung nun gut vorbereitet.