Eine typische Frage im Vorfeld von Umbauten und Sanierungen ist: „Ist das eine tragende Wand?“ Die Frage ist eigentlich unsinnig – denn die darauf folgende Antwort ist im Altbau klar: Nur ganz selten stellt man in einem Altbau fest, dass eine Wand überhaupt keine Bedeutung in der Statik hat. Spätestens wenn nichttragende, aber massive Wände übereinander im Haus vorhanden sind, ist klar, dass die untere Wand zumindest die Lastabtragung der oberen Wand leistet. Insofern ist klar, dass Änderungen in der Regel einer statischen Überprüfung bedürfen. Und dies auch für das Baurecht notwendig ist.
Ausnahmen in der Baukonstruktion
Einzig Trockenbauwände haben wirklich keine statische Bedeutung. Der moderne Innenausbau in Trockenbauweise mit Gipskartonplatten auf Ständerwerk fand aber erst ab den 1960er Jahren langsam, später schließlich umfassend Eingang in das typische Bauen. Haupteinsatzgebiete waren und sind dabei nutzungsflexible Stahlbetonbauten, die man auch an den vertikalen Betonstützen erkennen kann. Eine Konstruktionsart, die sich bis auf wenige Außnahmen aber bis heute nicht im kleinen Wohnungsbau durchgesetzt hat.
Insofern wird diese Wandart also eher selten zu finden sein. Schnell erkennbar sind diese Wände am hohlen Klang in dem man durch horizonal versetztes Klopfen die dahinterliegenden Ständer auch hören kann. Ein weiteres Indiz ist, dass sie in der Regel wirklich schmal sind. Spätestens mit der Demontage einiger Steckdosenabdeckungen kann man in die Kontruktion schauen und so Sicherheit ob der baulichen Umsetzung bekommen.
Durchbiegung
Innerhalb der Statik ist neben der reinen Tragfähigkeit dabei auch noch ein weiterer Aspket relevant. Die Durchbiegung der Konstruktion. Es kann sein, dass das Haus zwar in der Lage ist, die entsprechenden Lasten zu tragen, durch eine sich aber verändernde Durchbiegung der Decken kann es zu einer Verformung der Tragkonstruktion und in der Folge zu Rissen im Innenraum in Putzen und Deckenanschlüssen kommen. Der dies beschreibende Kennwert ist dabei die maximale Durchbiegung von Trägern, Balken aber auch Decken, der immer im Verhältnis zur statisch wirksamen Länge eines tragenden Bauteils angegeben wird. Aus dem Industriebau ist dabei L/150zigstel bekannt. Ein Träger von 1 Meter Länge darf sich also um 7 Millimeter durchbiegen. Typisch für den Wohnungsbau sind L/250zigstel bzw. L/300zigstel. Hier biegt sich ein 1 Meter langer Träger nur noch um 3-4 mm durch. Für partielle Sanierungsmaßnahmen ist es dabei sogar manchmal sinnvoll, das Tragwerk mit L/500zigstel zu berechnen, um Spannungsrisse zu vermeiden.
Änderungen in der Statik
Um das zu verhindern, braucht es ein geschultes Auge – das eines Statikers. Meist ist aber nicht sicher, ob eine in den Plänen verzeichnete Materialstärke auch tatsächlich vorhanden ist. Oder die Statik mit ihren Zusammenhängen und Abhängigkeiten sind nicht ganz klar.
Bei uns betrifft dies z.B. Deckenbalken im Obergeschoss und die Mittelpfette der Dachkonstruktion. Hier waren Offenlegungen der entsprechenden Konstruktionen notwendig, um sie genauer einschätzen zu können. Und glücklicherweise konnten wir dabei Lösungen finden, die sich mindernd auf den Aufwand zur statischen Anpassung an unsere Gestaltungswünsche ausgewirkt haben. Maßgeblich bei unserem Haus ist dabei, dass alle Träger im Obergeschoss keine Einfeldträger sind, sie also nicht nur links und rechts einfach auf einer Wand aufliegen, sondern dass es sich um sogenannte Durchlaufträger handelt. Sie spannen immer von Außenwand zu Außenwand und liegen je einmal in der Mitte auf einer Wand auf. Solche Durchlaufträger haben im Vergleich zu Einfeldträgern deutlich geringere Durchbiegungen, waren aber zum Bauzeitpunkt unseres Hauses, in der Baumaterial eher rar war, eher unüblich.
Unterlagen für den Statiker
Damit ein Statiker die Bestands-Statik wirklich einschätzen kann, braucht er natürlich entsprechende Unterlagen. Ideal ist es, wenn man detaillierte Konstruktionszeichnungen des Bauwerks hat. In den allermeisten Fällen werden diese aber nicht vorliegen. Daher sollte man zusammentragen, was möglich ist, denn je mehr Informationen man über den Altbau hat, desdo geringer werden wahrscheinlich die notwendigen Maßnahmen sein. Sinnvoll ist es hierzu, folgende Unterlagen bereitzustellen:
- Bauzeichnungen aus der Bauzeit
Gerade auf alten Zeichnungen sind oft klein Trägermaße verzeichnet. Sie lohnen sich als besonders, wenn eine Frage über eine Holzkonstruktion besteht. - Bauantragsunterlagen von späteren Maßnahmen
Falls diese nicht vorliegen, lassen sie sich durch den Eigentümer oft beim zuständigen Bauamt anfordern. So können die notwendigen Unterlagen bei einem Altbau schrittweise wieder zusammengetragen werden. Und eine gute Dokumentation hilft auch, falls man das Haus ggf. irgendwann einmal wieder verkaufen möchte. Denn auch der nächste Nutzer wird seine eigenen Vorstellungen vom Wohnen im Altbau haben. - Bildmaterial von Bauteilöffnungen
Arten von Auflagern und Trägermaße lassen sich oft nur durch Bauteilöffnungen ermitteln. Um das Haus nicht komplett zu zerschlagen, sollte dabei zunächst ermittelt werden, welche Punkte tatsächlich relevant sind.
Oft hilft auch schlussendlich nur ein Blick vor Ort. Daher sollte mit dem Statiker auch ein Termin vor Ort abgesprochen werden. Er kann dann bestätigen, welche Bauteile noch im Detail geöffnet werden müssen und wo durch Unsicherheiten in der Statik ggf. unerwünschte Folgen auftreten. Da die Struktur der Maßnahmen hier üblicherweise gleich ist, geht es dabei oft im Kopfhöhen von Durchgängen oder das Vorhandensein von Schwellen. Ein Bild der zukünftigen Nutzung sollte daher bei den Terminen immer vorhanden sein.
Gut zu wissen, dass man die Bauantragsunterlagen beim zuständigen Bauamt anfordern kann. Ich werde bald einen Termin beim Ingenieurbüro für Baustatik. Inzwischen lese ich gerne zum Thema, um die notwendigen Arbeiten vorzubereiten.
Die Informationen, die Sie hier zum Thema Trockenbau mitteilen, sind sehr übersichtlich. Jetzt sollte ich eine bessere Entscheidung treffen können. Meiner Meinung nach sollte man dies immer auf eine gut informierte Weise tun.
Danke für diesen Beitrag über die Änderung von Statik. Mein Bruder hat mich in ein Projekt involviert, bei dem er gerne einen Altbau umbauen möchte. Er hat natürlich nicht viel Ahnung von Tragwerksplanung und Statik, weshalb ich ihm diesen Artikel erst einmal weiterleiten werde. Gut, dass sie die Problematik mit der Durchbiegung der Konstruktion erwähnen, die zu einer Verformung der Tragkonstruktion führen kann.
Interessant zu wissen, dass der moderne Innenausbau in Trockenbauweise mit Gipskartonplatten auf Ständerwerk erst ab den 1960er Jahre weit verbreitete Anwendung findet. Mein Onkel möchte sich ein neues Haus in Trockenbau errichten lassen. Er ist ganz überrascht davon, dass Trockenbau erst seit den 1960 massenhaft angewendet wird.
Vielen Dank für die Übersicht! Wir planen aktuell mit einem Unternehmen für Innenausbau, wie wir den Grundriss unseres Altbaus verändern können. Daher ist es gut zu wissen, dass Trockenbauwände keine statische Bedeutung haben. Dementsprechend können wir diese wohl hoffentlich sorglos bauen – abreißen müssen wir wahrscheinlich sowieso nichts.