Lange haben wir versucht, unsere Ausstellung: gemalt und vergessen EINE ZEITREISE durchzuführen. Am 28.8.2020 war es endlich soweit. Im Corona Jahr dabei unter dem Ziel – Klasse statt Masse. Uns war bewusst, dass wir mit dem Event nicht ein wirklich großes Publikum erreichen konnten. Die Herzensangelegenheit „Ausstellung“ war dabei aber aus verschiedenen Gründen nur zu dieser Zeit umsetzbar. Und aus der Herzensangelegenheit, die wir wie unsere Altbau-Sanierung lange mit uns herumgetragen haben, wurde eine Herzensangelegenheit, von der wir und hoffentlich auch andere noch lange zehren können.
Eine Ausstellung
Ausgewählt aus unserer Sammlung von über 300 Bildern hatten wir über 100 Exponate. Letztlich reichte der Platz „nur“ für 80. Schon mehr als genug. Denn der kleine Raum führte – auch aufgrund der thematisch nicht abgegrenzten „Zurschaustellung“ – positiv formuliert zu einer komprimierten Kunstinfusion. Manche waren auch der Meinung unsere Petersburger Hängung, die auch Anspielung an den Flying Circus von Monty Python verstanden werden konnte („und nun zu etwas völlig anderem!“), war Zuviel.
Spannend aber gerade im Prozess des Aufbaus war die Selbstverständlichkeit, in der sich das eine Bild zum Anderen gesellte. Mal waren es Bezüge in Farbigkeiten und Machart, mal nur die Formate. Andere Bilder hatten eine kunsthistorische Verbindung. Und wieder andere waren bewusste Gegenspieler, die im Raum letztlich zu dem geführt hat, was es war. Ein eigenständiges Ganzes.
Ein besonderer Dank dabei auch an Sarah Weiselowski, die die Ausstellung wundervoll photographisch in Szene gesetzt hat.
Ein Abend
Natürlich ging es nicht nur um die Bilder selbst, sondern auch um die Wahrnehmung. Und damit um jeden einzelnen Besucher. Eine Ausstellung? Vielleicht eher ein Happening. Entsprechend umfangreich war dann auch die Einleitung der Ausstellung von Oliver Sorg und mir.
Klang & Geruch
Ole Fach hatte in seinem Beitrag Hommagen an fünf ausgewählte Bilder erarbeitet. Angelehnt an die Idee von Mussorgski komponierte er zu den Bildern elektronische Musik. Und spielte sie in den 5 Sets, die wir zusammen mit unseren Besuchern machten, jeweils individuell ein.
Georges Wagner – als stiller Begleiter der Ausstellung – hatte Holzstücke mit Geruchsstoffen getränkt und so den Eingang zur Zeitkapsel mit dem vertrauten Geruch alter Keller und den Ausstellungsraum mit dem Geruch frischer Ölmalfarbe geflutet.
Bemerkenswert waren dabei die Motivation und Begeisterung unserer Zuschauer/ Zuhörer, sich auf die individuellen Impulse einzulassen. Musikalische Interpretation und eigene Wahrnehmung verschwommen zu einem Cocktail, der für alle anregend wirkte.
Die Musikstücke
Wie in der Ausstellung – EINE ZEITREISE eines zum anderen kam, war dabei auch für uns selbst sehr überraschend. Ole hatte die Bilder, zu die er die Stücke komponiert hat, nach seinem Gusto ausgewählt. Gewählt hat es dabei aber auch viele für uns besondere Stücke in unserer Sammlung. Die Kurzfassung:
- Bild 1 – Ein Bild, dass bei uns privat nur Frau Peuckert heißt. Eine Serigraphie. Es ist ein privates Geschenk und das erste Bild unserer Sammlung, dass meine Frau eingebracht hat.
- Bild 2 – Die Pyramide – eine Radierung von Barbara Bredow. Und ein Flohmarktfund. Als langjährige Vorstandsmitglied der Darmstädter Sezession prägte sie maßgeblich auch die lokale Kunstszene. Ihr Mann war mein Professor im ersten Semester meines Architekturstudiums.
- Bild 3 – Den „Sonnenaufgang im Wald“ habe ich mir selbst geschenkt. Ein Ölbild des bekannten Malers und Komponisten Désiré Thomassin aus Wien. Ersteigert auf Ebay. Zum Abschluss meiner Dissertation – Franzi & ich waren wirklich am Ende unserer Kräfte. Es ist damit ein Bild, dass den Aufbruch in eine neue Lebensphase ausdrückt.
- Bild 4 – Das „Dosenbild“, eine Radierung einer plattgedrückten Dose von Reinhold Koehler aus Siegen zeigt vielleicht den Ursprung meiner Lust auf Kunst. Zwei seiner Bilder hingen bei uns zuhause und haben mich schon immer begeistert. Tief bewegt haben mich die Bilder aber erst später. In meinem ersten Semester im Architektur-Studium wurde von der Innovationskraft von Frank Gehry mit seinem Dekonstruktivismus (sein berühmtes Wohnhausprojekt startete er 1977) erzählt. Und dann diese Bilder: auch Dekonstruktivismus, aus den späten 60er Jahren aus meiner Heimat – dem verschlafenen Großstädtchen Siegen – war für mich klar, dass das mit mir und der Architektur durchaus was werden konnte. Wie es dann auch kommen sollte.
- Bild 5 – Ein Gemälde selbstgemalt von Oliver.
Eine Zeitreise
Ziel in der Ausstellung war es, neben den Motiven auch die vielfältigen Ebenen von Kunst und Malerei darzustellen. Zumeist waren die Frontseiten ausgestellt. Mal waren aber auch die Rückseiten der Bilder zu sehen. Einige Bilder standen an der Wand gelehnt und warteten darauf, durch die Besucher „entdeckt“ zu werden. Und wann kann man in einer Ausstellung mal das Bild von der Wand nehmen? Was erzählt die Bildsprache, was berichtet die Rückseite und worüber zum Beispiel informiert auch der Rahmen?
Im Teaser zur Ausstellung hieß es dabei: Aufgestöbert als namenlose Gemälde im Sekundärmarkt, auf Flohmärkten, in Kellern, Lagern oder Abbruchhäusern. Ein Spiegel in die Seele kommerzieller Kunst und ihrer Besitzer. Gefüllt mit Zeitgeist; so offenbaren Bilder besonders viele kleine Geschichten. Solche Kunst entdecken wir seit Jahren neu – mit Begeisterung und kindlicher Freude. Wir versuchen, einst prächtigen Arbeiten ihre Ehre zurückzugeben. Tragen scheibchenweise Wissen zu den Arbeiten zusammen – puzzeln in ihrer Vergangenheit. Füllen blinde Stellen mit eigenen Erlebnissen. Erfreuen uns an Interpretationen. Und schreiben so ihre Geschichte fort.
Zu welchen Gemälden dann die Geschichte erzählt oder sogar fortgeschrieben wurde, dass bestimmten die Besucher der Ausstellung – EINE ZEITREISE in den 5 Sets selbst. Nach einer ersten kurzen Diskussion wählen wir jeweils ein Thema oder auch Bild aus, zu dem wir gemeinsam aus Reise gingen. Zwei Beispiele sind die Liegende und ein Komplex „Krieg und Nachkriegsjahre“:
Die Liegende
Eine der ausgewählten Arbeiten war dabei „Die Liegende“, die ich vor vielen Jahren auf Ebay ersteigert habe. Die Geschichte der Recherche zum unsignierten Bild ist dabei lang. Sie beginnt mit einem Besuch im Landesmuseum in Darmstadt, in dem ein Kunsthistoriker das Bild um das Jahr 1910 datierte und als Entstehungsort aufgrund von Rahmen und Verfestigung der Leinwand den Montparnasse in Paris nannte. Spätestens hier war die volle Aufmerksamkeit für das Bild geweckt.
Nach Jahren der Recherche fand sich schließlich immerhin ein Gemälde von Matisse, dass eine Frau in einer ähnlich unbequemen Haltung zeigte. Und so folgte eine Suche im Umkreis von Matisse. Dieser betrieb von 1908 bis 1911 auf dem Montparnasse eine Künstlerschule – die Académie Matisse. Da das Bild aus Deutschland stammte, kreiste sich die Recherche mehr und mehr auf deutsche Künstler in der Académie ein. Und hier fand sich auch mit Hans Gött ein Künstler, der mit seiner Vorliebe zu Akten, dem besonderen Einsatz der Farbe Grün im Werk sowie der stark texturierten, linienhaften Malweise der Autor des Werkes sein könnte.
Das Problem: Er war 1908 an der Académie Matisse. Sein eigenes Werkverzeichnis beginnt aber leider erst mit dem Jahr 1910. Und das lagert mit seinem weiteren Nachlass im Deutschen Kunstarchiv in Nürnberg. Letztlich haben wir dies zum Anlass genommen, 2016 eine mehrtägige Wanderung auf einem Zubringer zum Jakobsweg mit einem Besuch im Archiv zu verbinden. Und fanden dort in den Unterlagen – Postkartengroß – Bleistiftskizzen von Bildern aus Paris. Eine davon zeigt tatsächlich in unserem Format eine liegende Dame. Seitdem sind wir uns mit der Zuschreibung zum Künstler sicher.
Krieg und Nachkriegsjahre
Ein Bild, dass viele besonders angesprochen hat, war eine Radierung von Hans Kuhn aus dem Jahr 1946 mit dem Titel „Das Glück“. Viele Arbeiten unserer Sammlung stammen dabei genau aus dieser Zeit. Das Bild zeigt – einen Strand, ein trautes Paar das in den Sonnenuntergang schaut, ein Wikingerschiff und ein Teufel mit einer Bombe, der vom Schiff springt. Eine Zeit der individuellen Verarbeitung der Kriegszeit in der Kunst. Eine spätere Grafik von Hans Kuhn – auch in der Ausstellung vertreten – ging schon weiter in die Abstraktion.
Als „Gegenspieler“ war in der Ausstellung auch ein Bild von Dr. phil. Julius Dettmar aus Koblenz vertreten. Das Bild aus dem Jahr 1939 wurde zur „Großen Deutschen Kunstausstellung“ 1940 eingereicht. Zwar wurde die Arbeit abgelehnt und kamen daher nicht zur Ausstellung. Sie zeigt aber das, was die NS-Zeit ausgemacht hat. Ein kriegsverherrlichendes Bild (gezeigt werden vermutlich zerbombte Häuser aus dem Polenfeldzug) und dazu ein pompöser Rahmen. Tatsächlich aber, ist das Bild in keinster Weise so Robust wie man annehmen könnte. In der Materialwahl minderwertig. Und in Summe eher lummelig. Der Rahmen weich, alles auf den Anschein optimiert.
Ein Begleiter, der beleuchtet, was Rechtsradikalismus auch heute noch ausmacht. Ein Spielen und bewusstes Verzerren von Wahrnehmung.
Weiter geht´s!
Die Ausstellung – EINE ZEITREISE eingepackt, ging es tags darauf nach Hause. Fröhlich, ein Kapitel abgeschlossen zu haben. Traurig ein Kapitel abgeschlossen zu haben. Und vor allem erschöpft. Aber ein Ende ist immer auch ein Anfang. Für die Bilder, die bald wieder bei uns zuhause strahlen können. Für unsere Gäste, denen wir hoffentlich Freude geschenkt und Anregungen gegeben haben. Und für die Zeitkapsel. Denn die Zeitkapsel wird in Zukunft neue Nutzer bekommen. Unsere Ausstellung – Eine Zeitreise war die (vorerst?) letzte Ausstellung in den Räumlichkeiten. Auch für sie wird bald eine neue Nutzung anstehen.
Trotzdem bleibt von der Ausstellung – EINE ZEITREISE hoffentlich noch lange etwas. Jeder der an der Ausstellung mitwirkenden hat von uns ein Bild bekommen. Vor einem kennen wir auch schon sein neues Zuhause: