Energieeffizientes Bauen hat in Deutschland eine lange Tradition. Denn fast 90 % des Energieverbrauchs privater Haushalt gehen auf das Konto von Heizung und Warmwasser. Seit mehreren Jahrzehnten suchen Planer hierzulande Lösungen, die klimaneutrales Bauen und Wohnen zulassen. Planer haben zunächst darauf eingewirkt, die Transmissionswärmeverluste bei Neu- und Umbauten zu reduzieren. Dann fokussierte man auch den Lüftungswärmeverlust. Und schlussendlich wurden die dann deutlich reduzierte Energiebilanz durch solare Wärme- und Energiegewinne ausgeglichen. Der Standard Effizienzhaus Plus steht am Ende dieser Entwicklung. Er beschreibt postfossiles oder besonders zukunftsfähiges Bauen. Denn die Ablösung von den fossilen Energieträgern ist sicher. Ebenso wahrscheinlich ist, dass viele der heute gebauten Immobilien oder der aktuell sanierten Altbauten eine Zeit ohne fossile Energieversorgung erleben werden.

Was ist neu am Effizienzhaus Plus?
Bei den bisherigen Energiestandards für Wohnhäuser und auch den Energiestandards für Sanierungen wurde immer der Gebäudeenergiebedarf in den Fokus gerückt. Es galt also, diesen möglichst lokal zu decken. Dazu wurde in der Regel eine Monatsbilanz herangezogen und dem Energiebedarf eine lokale Energieerzeugung gegenübergestellt. Ergänzende Bedarfe und Überschüsse bleiben unberücksichtigt. Damit ist klar, dass Gebäude nie einen Energieüberschuss nachweisen können. EnEV-Berechnungen, Energieausweise oder Berechnungen nach GEG weisen als immer einen Energiebedarf aus.
Darüber hinaus lag auch der Nutzenergiebedarf nie im Blickfeld. Schaut man aber in Energiebilanzen von hocheffizienten Gebäude, dann ist der Nutzenergiebedarf meist der höchste einzelne Energiebedarf. Noch vor Heizung oder Warmwassererzeugung. Erst durch die Integration dieser Bedarfe ist ein umfassender Blick auf die Immobilie möglich.
Somit ist erst mit dem Effizienzhaus Plus nun neben Behaglichkeit und Lebensqualität in der Immobilie auch der Aspekt des Kleinkraftwerks am Haus umfassend berücksichtigt. Eigene Erzeugung kommt zuerst der Nutzung zu Gute. Überschüsse werden darüber hinaus für Elektromobilität oder Quartiersversorgung verwendet.
Definition Effizienzhaus Plus
Der Nachweis für das Effizienzhaus Plus erfolgt in Anlehnung an die DIN V 18599, erweitert um den Nutzenergiebedarf. Alle weiteren Bedingungen nach Gebäudeenergiegesetz sind darüber hinaus einzuhalten. Ein Beispiel ist hier für den Neubau der sommerliche Wärmeschutz. Als besondere Rahmenbedingungen sind dabei folgende Grundlagen anzusetzen:
- Die Bilanzgrenze ist das Grundstück, um auch Energiegewinnung im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit dem Gebäude („on-site Generation“) abbilden zu können.
- Netzeingespeister Strom wird gemäß Verdrängungsstrommix betrachtet.
- Es wird der mittlere Standort nach GEG angesetzt.
- Für die Nutzenergie bei Wohngebäuden erfolgt eine Anrechnung eines pauschalen Endenergiebedarfs von 20 kWh/m²a.
Für das Effizienzhaus Plus Niveau muss dabei sowohl ein negativer Jahres-Primärenergiebedarf (∑Qp < 0 kWh/m²a) als auch ein negativer Jahres-Endenergiebedarf (∑Qe < 0 kWh/m²a) vorliegen. Das klingt zunächst in vielerlei Hinsicht negativ. Es zeigt aber, dass durch das Haus sowohl ein primärenergetischer als auch endenergetischer Überschuss erzeugt wird. Das heißt, das Haus nutzt keine fossile Energie (Primärenergiebetrachtung) und erzeugt für seinen Besitzer auch einen wirtschaftlichen Gewinn (Endenergiebetrachtung). Das Haus verdient also Geld und entlastet die Umwelt.
Ergänzend zu den Kennwerten Primärenergiebedarf und Endenergiebedarf ist das Verhältnis von selbstgenutztem zu generiertem Strom auszuweisen. Er wird dabei als „pauschalierter Erneuerbare Energien-Eigennutzungsgrad“ bezeichnet. Hierzu werden die monatliche Energieerzeugung und der Energiebedarf gegenübergestellt.
Weitere Nebenanforderungen sind eine Ausstattung des Hauses mit Haushaltsgeräten der jeweils höchsten Effizienzklasse und der Einbau intelligenter Stromzähler.
Rechenhilfe des Bundes
Das alles klingt erst mal recht komplex. Es lässt sich aber mit den typischen Planungstools von Bauphysikern und Energieberatern mit nur geringem Mehraufwand zu einer klassischen Planung erzeugen. Denn man benötigt neben der klassischen Bedarfsberechnung für den Energieausweis nur eine zweite Berechnung, in der das Gebäude ohne PV bilanziert wird sowie eine Ertragsberechnung der zukünftigen PV-Anlage. Ausgehend von diesen Berechnungen unterstützt eine Rechenhilfe des Bundes, die speziell zum Nachweis von Effizienzhaus Plus Gebäuden entwickelt wurde. Sowohl für Wohn- als auch Nichtwohngebäude lässt sich dann die Bedeutung der lokalen Energieerzeugung umfassend nachweisen.
Bauliche Konsequenzen des Effizienzhaus Plus Standards
Bis auf wenige Ausnahmen ist der Effizienzhaus Plus Standard sowohl für Ein- als auch Mehrfamilienhäuser umsetzbar. Der wärmedämmtechnische Standard der Gebäude unterschreitet dabei den des Referenzgebäudes nach GEG deutlich. Eine Hüllqualität wie bei einem Passivhaus wird aber oft – knapp – nicht erreicht.
Die erforderliche Photovoltaikfläche liegt bei klassischen PV-Modulen zwischen 0,35 m²PV‑Fläche/m²EBF und 0,5 m²PV‑Fläche/m²EBF. Bei uns sind es sind es jedoch nur 0,25 m²PV‑Fläche/m²EBF. Dies liegt einerseits daran, dass wir einen relativ kleinen Altbau haben und andererseits, weil wir spezielle, hocheffiziente PV-Module für unsere PV-Anlage genutzt haben.
Bewertung des Standards
Grundsätzlich ist der Standard dem heute schon förderfähigen KfW-Effizienzhaus 40 Plus zumindest ähnlich. In der Bilanzierung ergänzt durch den Nutzenergiebedarf. Das Effizienzhaus Plus bietet aber Erleichterungen bei der technischen Ausstattung für das Gebäude. Eine Lüftungsanlage ist z.B. nicht zwingend. Und auch die Hüllqualität kann abgesenkt werden, soweit entsprechende Energieerzeugung gegengerechnet wird. Hier sind Gebäude im Vorteil, die viel Hüllfläche für wenig Nutzfläche haben. Also vor allem Ein- und Zweifamilienhäuser.
Darüber hinaus ist der Standard gerade im Bestand interessant. Denn für zu sanierende, freistehende Einfamilienhäuser ist er oft schon ab einer Hüllqualität eines KfW-Effizienzhaus 70 Gebäude erreichbar. Er lässt sich also auch im Bestand besonders gut umsetzen. Und der Beitrag zum Klimaschutz ist im Bestand deutlich höher als im Neubau (Quelle: IBP).
Da es meist im Lebenszyklus eines Gebäudes günstiger ist, mehr PV zu installieren als statt einer dicken eine sehr dicke Dämmung zu verwenden, ist der Standard dabei auch recht wirtschaftlich, wenn man seinen eigenen Strom verbraucht. Das Effizienzhaus Plus rechnet sich langfristig. Vor allem für Eigennutzer.
Gut zu wissen, dass der Effizienzhaus-Plus-Standard bis auf wenige Ausnahmen sowohl für Ein- als auch Mehrfamilienhäuser umsetzbar ist. Mein Onkel hat ein altes Einfamilienhaus auf dem Lande. Er möchte dessen energetische Effizienz steigern und zieht deshalb den Effizienzhaus-Plus-Standard in Erwägung.