Wir laufen über die Kuppen der Bergstraße. Die Luft ist frisch. Der Weg schlängelt sich die Hänge entlang. Ein bisschen deutet sich das Kommende an. Die Landschaft ist mehr gestaltet als üblich. Teilweise sind große Pappelalleen an den Hängen sichtbar. Am Wegesrand überrascht ein Pavillon mit Reetdachdeckung, die Eremitage. Und plötzlich öffnet sich – scheinbar im nirgendwo – der Raum im kleinen Tal und das Fürstenlager taucht auf. Was für ein herrliches Ambiente.
Das Fürstenlager in Bensheim-Auerbach ist die ehemalige Sommerresidenz des Hauses Hessen-Darmstadt. Gebaut wurde die Anlage weitgehend im späten 18. Jahrhundert. Das etwa 46 Hektar große, rund um einen Mineralbrunnen zu Heilzwecken aus dem Jahr 1768 angelegte Areal mit Park, besteht aus herrschaftliche Häuser, Denkmäler und Gartentempel sowie eine Reihe von Hofgebäuden. Die meisten Bauten stammen aus den Jahren zwischen 1783 und 1792 und sind im Stil des Klassizismus errichtet. Sie sind in der Form eines traditionellen Dorfes angeordnet. Den Namen Fürstenlager erhielt die Anlage übrigens von der örtlichen Bevölkerung. Da der Park nicht abgeschlossen war, konnten sie die Fürsten und ihre Gäste hier „auf Wiesen lagernd“ beobachten.
Heute steht der idyllische Raum allen Menschen auf der Suche nach Naherholung offen und nimmt sie mit seiner Ruhe und Stille ein. Er lädt auch ein – mit einer kleinen Gastronomie. Wir waren mit dem Unternehmen, in dem wir arbeiten, dort und haben das besondere Ensemble wirklich genossen. Und gegessen: das im historischen Ofen frisch gebackene Brot. Aus unserer Sicht sehr zu empfehlen.
Geschichte des Fürstenlager
Nach einem Kurbesuch des hessen-darmstädtischen Erbprinzen Ludwig (1753-1830) und seiner Frau Luise (1761–1829) im Jahr 1783 fanden sie Freude am Raum und dem Gesundbrunnen. Sie kamen zur Erholung immer wieder. Nachdem Ludwig Landgraf wurde, ließ das Paar bis 1795 die schon vorhandenen Gebäude im „Dörfchen“ erweitern und ergänzten „Lusthäuser“. Entfernt von der Residenzstadt Darmstadt entstand eine Sommerresidenz ohne großen Prunk.
Die wichtigsten Gebäude sind dabei als Teil der eigentlichen Residenz der Landgrafen:
- das Herrenhaus (1790–1792), als einziges zweistöckige Gebäude der Anlage,
- das Kammerhaus (1790–1792) diente als Unterkunft der großherzoglichen Kammerdiener,
- der Prinzen- und Damenbau (beide 1790–1792) liegen an der Hauptachse der Anlage,
- der Kavalierbau, ca. 1783–1787 als Unterkunft für Höflinge, sowie
- der Fremdenbau (1810–1811) diente der Unterbringung von Gästen.
Als Teil des ikonischen Dorfers sind weitere Gebäude vorhanden:
- der Küchenbau und das zentrale Wirtschaftsgebäude, errichtet etwa 1783 bis 1787 (inkl. des Backofens),
- der Konditoreibau (1790–1792)
- die Meierei (1790–1792)
- das Weißzeughäuschen (1790–1792), ursprünglich Badehaus und Weißzeugkammer, sowie
- der Stallbau (1783–1787, erweitert um 1800).
Fürstenlager – Englische Vorbilder für die Gartengestaltung
Das Areal und der Park liegen im langestreckten Roßbachtal an der Bergstraße im Übergang zur Rheinebene. Von Osten kommend, verändert sich der Wald und die Kulturlandschaft langsam. Sie entwickelt sich zu einem englisch geprägten Landschaftsgarten. Serpentinen finden sich an den steilen Hängen und lassen immer wieder neue Blicke auf das Fürstenlager zu. Dabei gehört der Park zu den frühen Beispielen englischer Gärten in Deutschland und ist weitgehend in der Originalform erhalten. Er beherbergt unter anderem 50 exotische Bäume und Sträucher, darunter einen der ältesten Riesenmammutbäume Deutschlands.
Hofgärtner Carl Ludwig Geiger wählte das Motiv des englischen Landschaftsgartens bewusst, um diesen fließenden Übergang von Landschaft und Park zu realisieren. Seine Gestaltung bindet die vorhandenen Äcker von Bauern, (Streuobst-)Wiesen und Weinberge über Schlängelpfade in den Park mit ein. Ebenso Teil der Gestaltung war die eigene Landwirtschaft des Fürstenlagers. Im Park befinden sich kleine Parkarchitekturen und Gedenkorte wie das Teehäuschen oder das Luisendenkmal. Kleine Blickfänge, die den Garten strukturieren.
Wir selbst haben auf dem Nordkamm eine wundervolle Sicht in die Rheinebene genossen und uns zum Freundschaftstempel oberhalb der Herrenwiese emporgekämpft. An der schönen Bergstraße, deren Kulturgut wir sehr schätzen, findet sich hier ein englischer Landschaftsgarten mit Zierfarm nach früher englischer Gartenmode. Die uns ebenso sehr am Herz liegt. Das Fürstenlager ist definitiv ein Ort für uns.
Titelbild: Das Fürstenlager – Weißzeughäuschen